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Montag, 17. Juni 2013

Von Kinderwegen und Wegeskindern


Jedes Mal, wenn ich auf der Strasse
oder dem Gehweg eine Schnecke mit Haus sehe, spreche ich sie an und erkläre ihr, dass sie hier plattgetreten oder überfahren wird.
In der Regel reagieren Schnecken indem sie sich in ihr Haus zurückziehen oder gar nicht.
Die Häuschen wirken so zerbrechlich, ich kann nicht anders und trage die Schnecke, vermutlich gegen ihren Willen, denn sie war ja auf dem Weg wohin, ins nächste unbetretbare Grün.


Nun war ich ein paar Tage bei meiner Mutter und fuhr viel durch die Landschaft meiner Kindheit und Jugend. Es zieht mich immer wieder zu den Wegen, die ich damals lief und zu den Orten mit denen ich verbunden bin.

Diese Verbindung ist mehr als nur eine Erinnerung. Es scheint mir, als existieren diese Orte regelrecht in meinem Inneren. Es ist ein Gefühl, als seinen sie, während ich heranwuchs ein Teil des materiellen und geistigen Wachsens geworden, sie sind wie eingraviert, verwoben mit meinen Seinsstrukturen. So wie ein Zaundraht in einen Baum einwächst, wenn er nur intensiv und lange genug ... und früh genug, Kontakt mit ihm hat.

So fuhr ich dieser Tage, halb zufällig und halb auf der Suche nach Etwas an einem dieser Orte vorbei. Ein kleiner Sandweg, der von einer Strasse abzweigt. Die Form der ersten Biegung des Weges, die Bäume, die Perspektive sind in mir abgespeichert seit 50 Jahren.

Ich war schon vorbeigefahren an der Stelle, an der der Sandweg abbiegt als die Erinnerungen mich überschwemmten.

Ich mag wohl 4 oder 5 Jahre alt gewesen sein, als ich dort mit ich weiss nicht wem (Oma, Eltern, Onkel, Tante?) spazieren ging. Die „grosse Person“ zeigte mir eine Weinbergschnecke die am Wegrand kroch. Wir knieten uns hin und „die Person“ erzählte mir von den Schnecken. Ich erinnere mich kaum an den Inhalt der Erzählung, nur, dass sie mir Einblick gab.
Einblick in die Tatsache, dass Tiere leben! atmen! fühlen! reagieren. Die Person zeigte mir, dass wenn man mit einem Grashalm die Hörnchen der Schnecke sanft berührt, diese sich einzogen, und wenn man diese ein wenig fester tut und öfter, dann zieht sich die ganze Schnecke zurück.
"Die kleinen Punkte am Ende der Hörnchen sind Augen." erklärte der/die Grosse. 
„Das Haus bauen die Tiere selber und wenn es kaputt geht, wenn jemand drauftritt, dann müssen sie sterben."

So erfuhr ich an diesem Nachmittag von den Tieren, vom Leben und vom Tot.
Eine ganze Menge für so einen Knirps.

Jetzt weiss ich, warum ich die Schnecken mit Häuschen immer „rette“ ... ich versuche dem Tot ein Schnippchen zu schlagen.
Irgendjemand muss mir wohl auch mal was über Regenwürmer erzählt haben, denn die „rette“ ich auch immer.

Nun mache ich mich in knapp 2 Wochen auf die Reise nach USA.
Dabei geht es auch um eingewachsene Zaundrähte.
Ich kann 45 Jahre TV- und KinoSchaumwäscherei aus Hollywood in meinem Gehirn einfach nicht dulden.

Die verdammte eigene Erfahrung muss her!
Ich bin gespannt WER oder WAS mir dort an den Wegen begegnet.

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