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Freitag, 9. August 2013

EIN ANDERES AMERIKA

Die Macht der Bilder / The strength of the pictures
Es ist wie fliegen, ein wenig! Die Strasse ist für viele Meilen eine grade Line, die sich vor mir in die Landschaft streckt.

Die Bewegung des Fahrens! Das sanfte unregelmässige Auf- und abwogen der Hügel über die sie führt. Eine Steigung mit der Kuppe als Horizont, hinüber und das Land liegt vor mir.

Ich fuhr über irgendeine dieser Kuppen und dann lag es vor mir.
 
Monument Valley
Es hatte Vorzeichen gegeben: die Mesa ging links von mir langsam zuende, zerfiel in Fragmente, kleinere Tafelberge und bizarre Formationen.
Die Steppe wurde nun wirklich zur Wüste, die einzelnen Grasbüschel  und Sträucher immer weiter auseinander, dazwischen immer grösserere Flächen von gelblichem bis fast rotem Sand.

Zerfallenes Gestein, trocken und heiss, keine Rinder mehr, kein Grasland, ein einziger, milchfarbener Fluss, tief eingegraben ins den roten Fels.
Einzelne, scheinbar ärmliche Gehöfte, oft nicht mehr als eines dieser fahrbaren Häuser von der Stange, kleine Bruchbuden als Nebengebäude, ein paar Pferde, haufenweise kaputte Autos, dazwischen ganz neue, teure Wagen.
Alles gemeinsam auf dem blossen Sand, machmal ein paar Bäume, aber wenig gestaltestes Umfeld. Es sah oft so aus als habe jemand ein Haus in eine Kiesgrube geworfen und fertig!

Indianerland - wiedermal!
Diesmal, jedoch das was zugewiesen wurde oder ein kläglicher Rest von dem, was einmal ihr Bewegungsraum war.
Monument Valley: ich fuhr mitten hinein in die Filmkulisse. Ich, der hierher kam um die Bilder zu zerstören, die mit all diesen Filmen in mein Leben geschwappt sind, seit Jahrzehnten.

Aber die Bilder sind mächtig, mächtiger als der rote Stein der Türme im Valley.

Niemand wohnt zwischen den Felsen, genau wie die Mesa gestern.
Klar man kann mit dem Auto zwischen sie fahren, man kann austeigen, herumlaufen und staunen. Man kann versuchen, wie ich, diese gigantischen Steinkolosse als das zu sehen was sie sind, der Rest einer ehemals viel höher gelegenen Ebene, die der Erosion anheim viel.

Ich jedenfalls konnte tuen was ich wollte, der Eindruck der Kulisse blieb.

Eine Kulisse, die unbelebt ist, wie nachdem die Theateraufführung vorbei ist, Schauspieler und Publikum sind längst daheim. Vielleicht noch eine einsame Putzfrau, die sich so traurig-komisch ausnimmt in dieser Pompösität, wie die Indianer, die versuchen unter den wehenden Fahnen der USA selbstgemachten Schmuck zu verkaufen.

Die Bider in mir sind nicht gewichen, sie sind auf ein ganz perfide Art noch viel stärker geworden. Die Steine sind nicht nur durch Wind und Wetter erodiert, sondern dadurch, das  sie in meinem - aber ich bin wohl kaum der Einzige - Kopf als Hintergrund für grosse Momente der amerikanischen Filmgeschichte benutzt wurden.
Diese Form der Erosion hat im Gegensatz zur Erosion durch das Wetter nur einen Moment gedauert, ist jedoch genau so nachhaltig - in mir.
Hier findet kein Film statt, die Akteure kreuzten damals kurz auf, es war heiss, sie kamen in klimatisierten Wohnwagen, sie machten den Dreh und sahen zu, dass sie wieder nach Hollywood in ihre Villen kamen.
Der Rest ist Phantasie !!

Was bleibt sind einige sehr grosse, solitäre eingentümlich geformte Felsmonumente in in einem warmen, dunklen Rot, zurückgelassen von Wetter- und Traumküche.
So ist es gut und heilsam, zu sehen was hier wirklich ist oder ... viel besser... was hier wirklich nicht ist.

Motel
Gelandet bin ich am Abend im "Namen weggelassen wegen: siehe Nachtrag" - einem Motel, dass ebenfalls der Erosion unterliegt. Im Innenhof stehen die unvermeidlichen Autowracks, der Pool ist ein Pfuhl und ich bin wohl der einzige Gast.(1)

Die Reception ist in der benachbarten Tankstelle und der junge Ureinwohner verzog weder eine Mine als ich nach einem Zimmer fragte noch schien er sonderlich viel Interesse daran zu haben, mir eines zu vermieten. Auf meine Frage nach WiFi, zeigte er mit der Hand und sagte "no! ... go west, to Flagstaff ... there they have WiFi"
Ich blieb und sah in seinem Gesicht einen Moment lang so etwas wie Verwunderung.
Er weiss ja nicht, dass dies Teil eines Traums ist und wie weit ich schon "go-west" bin.

Bowie singt:
This is not America /
This is not the miracle / 
For this is not America

Doch, mein lieber David!  ... genau das ist die Realität!


Augen auf, hingucken, aufhören träumen und aufhören das Gute in diesem Land dort zu suchen wo Busch und John Ford uns weismachen wollen das es ist.
Dort ist nichts - rein garnichts, ein heisses leeres Tal in dem niemand freiwillig leben würde.
Aber mit offenen Augen findet man, abseits der Bilder im Kopf, abseits der Touristenbusse ein anderes Amerika. 

Szenenwechsel! etwa 150 Meilen nach dem Monument Valley
Im Stau habe ich gestanden in dieser Wüste bei fast 35°C ... weit über eine Stunde, kein Meter vorwärts.
Dann - ich hatte den Motor endlich ausgeschaltet, weil das Benzin knapp wurde. Die Klimaanlage war also auch aus. Es wurde verdammt heiss in der Karre.
Als ich ausstieg um ein wenig Wind zur Kühlung zu finden, hörte ich Musik.
Das war keine Stereoanlage! ... ich ging an der Reihe wartender Autos nach vorn, die Musik wurde lauter: Jazz! ... guter Jazz! Locker und leicht mit einem Drive der gute Laune macht.

Hoch über der Strasse lief ein überdachtes Förderband, darunter, im Schatten sass eine komplette Jazzband (Sax, Drums, Bass (ac.!), Synt. (Piano)) und spielte.

Nein lieber Leser, kein Sonnenstich, keine Fata Morgana ... die Jungs waren unterwegs (vielleicht zu ihrem Auftritt) hatten die Nase voll vom Warten, den Wagen in den Schatten gefahren und ihre Instrumente rausgebracht und einfach losgelegt, der Mann am Sythesizer sass in der offenen Schiebetür, die anderen mit dem Rücken zum Bus, davor ein paar Zuhörer.

Die Leute stiegen alle aus, niemand hielt es im Auto. Einige tanzten und Einer stellte einen riesigen Wasserbehälter auf den Kofferraum seines Autos und verteilte Pappbecher.
Gute Stimmung mit so komplett verschiedenen Leuten. Ein schöner Tag mit einem toten Tal und mit lebendigen Menschen.
Das ist auch Amerika!

Dann kam der Sheriff, mit Baulicht!

Stieg aus, setzte seine Sonnenbrille ab und sich selbst auf seine Motorhaube, wippte mit dem Fuss. Kein Anzeichen von Ungeduld!
Als die Band das Stück beendet hatte, rief er total freundlich: "Hey Guys ... good stuff! ... lets go! We all have to work!"
Die Band hatte einen Hut am Boden, er ging hin und warf eine Note rein. Viele andere auch.
Ich auch ... die Jungs hatten uns den Tag gerettert.

In aller Seelenruhe gingen die Leute zu ihren Autos, die Band packte ein, der Sheriff wartete bis alle fertig waren (wie der Schaffner am Zug, er stand dabei auf seinem Trittbrett, die Armbeuge im Aussenspiegel eingehakt um alles zu überblicken) und setzte sich dann an die Spitze der Schlage und lotste uns durch eine fast 15 Km lange Baustelle.
Das ist auch Amerika!

(1) Nachtrag am Morgen: in der Nacht Frauengekicher und Gekreische. Ein Blick zwischen den Vorhängen bestätigt den schnellen Verdacht. Fünf oder sechs leicht bekleidete Mädels stehen um einen grossen Pickup. Dies ist eine Absteige, deswegen war niemand versessen drauf mit ein Zimmer zu vermieten. Sie machen sowieso ihr Geschäft.
Das ist auch Amerka.

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