ARTIKEL

:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/://:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/://:/:/:/:/:/:/:/:/:/:/

Samstag, 27. Juli 2013

Gürteltiere, Geier und Gebete

Mark Twai schrieb einmal "Der Bericht über meinen Tod war stark übertrieben".
Ebendies könnte man über die Route 66 sagen.

Ich wusste, sie war in der Nähe und dann stand ich plötzlich, auf der Suche nach einem Geldautomaten, in der kleinen Ortschaft Bourbon, südlich von St. Louis, vor einem Strassenschild, dass ich 2 mal lesen musste.
"Old Highway 66" stand da. (s. auch PhotoBlog 26.07.)

Am Abend zuvor hatte mir der CampingPlatzWart noch erzählt, die 66 - er glaube die gebe es gar nicht mehr ... oder nur ein paar Stücke ... irgendwo "over there ... " sagte er, dabei zeigte er nach Westen und bewegte die Hand 3x im Kreis, was "SEHR weit weg" heisst.

Ohne Geldautomat aber mit Kamera liess ich mich an der 66 entlangtreiben.

Ich weiss, ich neige ein wenig zu Übertreibungen und allzu bunten Vergleichen!
Jedoch ist es weder das Eine noch das Andere, wenn ich betone - ja schwören möchte! - man kann an dieser Strasse auf jeder Meile 100 gute Fotos machen.

Nur meine Abneigung gegen das ständige Anhalten und in Ermangelung von Haltemöglichkeiten auf der schmalen Strasse bewahrte mich davor, gleich in den nächsten Walmart zu rennen und mir eine neue Speicherkarte für die Kamera zu kaufen.

Ich mochte die Strasse sofort. Sie bewegt sich ganz eigentümlich durch die Landschaft.
Sie gräbt sich nicht hindurch, sie liegt wie ein Band AUF der Landschaft. Ihre Raine sind nicht ausgearbeitet, d.h. kein Seitenstreifen und die Bäume und Häuser und Friedhöfe ... einfach alles scheint irgendwie mit ihr verwachsen zu sein ... ja! ... das ist es: sie ist kein Fremdkörper in der Landschaft, sie gehört dazu, wie nur eine alte Landstrasse dazugehören kann.

Gestern führte sie mich durch eine meist arme Gegend.
Nur hin und wieder ein reiches Haus, zurückgesetzt von der Strasse, als wolle es nicht so recht mit diesem Schmuddelkind zu tun haben.

Verfallene Häuser, aufgegebene Tankstellen, verrostete Brücken. Manchmal hielt ich an um ein halb eingesacktes Haus zu photographieren. Dann merkte ich - da wohnt noch jemand - eine gelbliche Gardine bewege sich.
Nix wie weg - ich finde es furchtbar die Armut der Leute zu knipsen!

... noch ein Markenzeichen der armen Gegenden ist, das fiel mir erst heute, am 2. Tag auf der 66 auf, es sind keine Cops da!

Eben ... heute fuhr ich dann durch Farmland ... die Route 66 pfeilgrade ... denn Farmer sind Bauern und die haben es gern geordnet: Strassen in Schachbrettmuster, Gedanken im gleichen Muster ... ich weiss das ist böse! Aber genau das ist der Eindruck, der mich beschäftigt.
Die 66 jedoch ... welches Glück ... sie nimmt immer noch jeden kleinen Hügel mit und windet sich so in der vertikalen über das Land. Das macht sie unverkennbar - ich konnte sogar - später von der Interstate aus - erkennen wo ihre Reststücke lagen.

Denn kaum wurde es wohlhabender, hatte man ihr Seitenstreifen verpasst, teilweise war sie nicht befahrbar, teilweise verschwunden oder als Gehweg für eine neue Landstrasse benutzte oft auch als Parkplatz vor den Häusern und Fabriken.

Kaum wurde es wohlhabender, da waren sie wieder da - die Cops!
Sie cruisen so langsam vor sich hin, fette Weissbrote mit Sonnenbrille ... kreisen wie die Aasgeier.
Eine Weile fuhren sie hinter mir ... mal gucken ob der Typ aus Ohio einen Fehler macht ... hab ich aber nicht.


Überall Tafeln mit Bibelzitaten die Strassenränder ... erinnerte mich irgendwie an die DDR: 

"Die LPG Kleinpisnitz hat ihre JahresLeistung um 150% gesteigert!
Wir gratulieren den Genossen und Genossinnen im Namen aller sozialistischen Brüder"

An jeder Ecke Plakate mit Bekehrungsversuchen. Manchmal machen mir diese Christen verdammte Angst! So sehr Angst jedenfalls, dass ich mich nicht getraut hab die Schilder photographieren.
Ich bin im Bibelgürtel der USA angekommen.

Lassen wir das! ... und dann:
Ich hab heute mein erstes wildlebendes Gürteltier gesehen! Wobei ... lebend ... nicht zu wörtlich zu nehmen ist. Es lag überfahren auf der Strasse.
Ein paar riesige Krähen waren eifrig am daran herumhacken, ich fuhr langsam einen grossen Bogen um die Szene ... und sah ... es waren keine Krähen! Es waren Geier!
Eben die Aasgeier sind nur da wo es was zu holen gibt!

... und ich bin über die Route 66 in der (ehemaligen) Prärie angekommen.

Am Kühlregal auf der Raststätte stand ein dunkelhäutiger Mann, gross, schlank und mit starrem Gesichtausdruck schaute er sich die Getränke hinter den Glastüren an. Dann öffnete er eine, nahm ein hellblaues Getränk in die Hand, betrachtete es ohne jede sichtbare Regung und stellte es wieder zurück. An der Art wie er es zurückstellte dachte ich sehen zu können, dass er es nur hatte ungläubig betrachten wollen. Blaues Wasser ... wie in den Klos im Hotel.

Mein erster lebender Indianer ... und der lebte tatsächlich noch!

Später sah ich ihn wieder, er sass neben einem vergammelten Pickup, dessen Ladefläche voll Melonen war. Er trank Wasser -ohne Farbe! - mit geschlossenen Augen.

Keine Kommentare: